Fröhliche Stunden bei den Lustigs
Das Hochzeitsalbum von Paula und Bernhard Lustig
Viele Hochzeitsalben bereichern unsere Sammlung zum jüdischen Leben in Deutschland. Sie bieten uns einen reizvollen Einblick in den privaten Raum der Familienfeste und zeigen, wie man an die Vermählungsfeiern erinnert hat.
Ein ganz besonderes Objekt stellt das Hochzeitsalbum des Ehepaares Lustig dar, in dem statt Fotografien die Tischkarten der Festgesellschaft, aber auch ein Festlied, das von der Schwester der Braut Hanna Futter vorgetragen wurde, und weitere Erinnerungsstücke eingeklebt sind.
Die Vermählung
Am Sonntag, den 30. Mai 1920 gaben sich Bernhard Lustig und Paula Futter in München das Ja-Wort. Rabbiner Dr. Leo Baerwald, dessen Frau mit der Braut gut befreundet war, traute das Paar in der Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße.
Bei der Hochzeitsfeier machten die Lustigs ihrem Namen alle Ehre! Amüsante Tischlieder wurden zum Besten gegeben und Festreden gehalten.
Die ins Album eingeklebten, liebevoll gestalteten Tischkarten stellen das Brautpaar vor und charakterisieren jeden Gast mit einer Zeichnung und einem lustigen Vers.
Auch die Einladung, eine Zeitungsannonce und die Menükarte, die sich im Album finden, verraten mehr von diesem besonderen Tag im Leben des Ehepaars Lustig.
Forelle und Champagner
Zur Feier des Tages wurde ein Festessen kredenzt. Die kunstvoll gestaltete Menükarte weist auf eine prächtige und schmackhafte Tafel hin:
Menu
Hühnerkraftsuppe
Forelle mit neuen Kartoffeln
Zunge mit verschiedenen Gemüsen
Jg. Gansbraten am Spiess m. div. Salaten
Kompott
Eis
Kaffee mit Torten
Die Forelle und der Gansbraten werden auf dem Menü auch bildlich angekündigt, dazu sprudelt der Champagner im Glas. Wer das Menü und die hübschen Tischkarten gestaltet hat, bleibt leider im Verborgenen.
Von München nach Jerusalem
Paula und Bernhard Lustig bekamen zwischen 1921 und 1928 vier Kinder: Herta, Hans, Walter und Franz. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten entschloss sich die Familie rasch zur Auswanderung: Am 25. August 1933 verließen sie München in Richtung Italien. Von dort schifften sie sich im Oktober nach Palästina ein. Sie ließen sich zunächst in Haifa nieder und fanden später in Jerusalem ein neues Zuhause.
Wie viele deutsche Neueinwander*innen änderten sie ihren Familiennamen, aus Lustig wurde Ron. Die Eltern hebräisierten auch die Namen der vier Kinder: Hertha wurde Chana, Hans hieß Jochanan, Walter war nun Zwi und der jüngste Sohn Franz bekam den Namen Arie.
Das Hochzeitsalbum nahmen sie in die Emigration mit. Es war nicht nur für das Ehepaar ein besonderes Erinnerungsstück, auch die Kinder und Enkel*innen der Lustigs blätterten gerne durch das Album.
Der Weg ins Museum
Für das Online-Projekt 1933. Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums suchten wir 2013 in unseren Beständen sowie im Archiv des Leo Baeck Instituts in New York nach aussagekräftigen Dokumenten aus dem Jahr 1933. Dabei fiel die Wahl auch auf den Brief eines 11-jährigen Jungen, der mit seiner Familie von München nach Palästina emigrierte (den Brief von Hans Lustig können Sie hier nachlesen). Dort berichtet er seinem ehemaligen Lehrer vom Weggang aus Deutschland. Was in seinen kindlichen Worten wie eine unbeschwerte Familienreise klingt, war in Wirklichkeit ein Abschied für immer.
Der Lehrer war Robert Raphael Geis, in dessen Nachlass sich der Brief befand, der Schreiber war Hans Lustig, der zweitälteste Sohn von Paula und Bernhard Lustig. Wir kontaktierten seinen Bruder Arie Ron in Jerusalem, um mehr über das Schicksal der Familie Lustig zu erfahren. Ein Jahr später schenkte er dem Jüdischen Museum Berlin das Hochzeitsalbum seiner Eltern. Ihm und seiner Familie sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Susanne Schuur
Zitierempfehlung:
Susanne Schuur (2017), Fröhliche Stunden bei den Lustigs. Das Hochzeitsalbum von Paula und Bernhard Lustig.
URL: www.jmberlin.de/node/5145
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