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Annäherung aus drei Perspektiven

Wie kommen eine interkulturell offene Schule, ein diversitätsorientiertes Museum und eine diskriminierungskritische Pädagogik zusammen? – Dokumentation der Podiumsdiskussion

Will man die Bildungsarbeit von Schulen und Museen in der Migrations­gesellschaft zusammendenken, tauchen ganz grundlegende Fragen auf: Was verstehen wir generell unter einer vielfalts­orientierten und diskriminierungs­kritischen Pädagogik? Was bedeutet die inter­kulturelle Öffnung für Schulen und für Museen für sich betrachtet?

Übersichtsplan mit allen Gebäuden, die zum Jüdischen Museum Berlin gehören. Der Altbau ist grün markiert

Wo

Altbau 2. OG, Großer Saal
Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin

Drei Expert*innen aus den jeweiligen Arbeitsfeldern stellten in einem Impulsvortrag ihre Perspektiven vor und diskutierten über die jeweiligen Anschlussstellen und die Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit.

Dr. Rosa Fava moderierte das Gespräch mit folgenden Teilnehmer*innen:

Mobiles Beratungsteam Berlin für Demokratie­entwicklung (ehemals „Ostkreuz“)

mbt-berlin.de

Stiftung Sozial­pädagogisches Institut Berlin „Walter May“

www.stiftung-spi.de

Museum Europäischer Kulturen – Staatliche Museen zu Berlin

www.smb.museum

Zahide Doğaç: Was ist eine interkulturell geöffnete Schule?

In Deutschland verändert sich das Bild der Gesellschaft. In Ballungsgebieten wie z.B. Hamburg oder Berlin wird die Schülerschaft immer heterogener. Aktuelle Statistiken halten fest, dass jedes zweite Grundschulkind in Hamburg einen sogenannten Migrationshintergrund hat. Diese Veränderung bedarf veränderten Personals und veränderter Strukturen, die auf kulturelle und soziale Heterogenität ausgerichtet sind. Für die Schule bedeutet es, dass das verantwortliche Handeln auf die zivilgesellschaftlichen veränderten Migrationsprozesse und damit Institutionen an die öffentliche Realität anzupassen sind.

Wie soll das gehen? Akteur*innen der Bildung, insbesondere Lehrer*innen, müssen in ihrer Ausbildung und auch in ihrer Arbeit weiter fortgebildet und auf diese Veränderungsprozesse vorbereitet werden. Es ist meines Erachtens unabdingbar, dass pädagogisches Personal interkulturell sensibilisiert wird. Um eine Basis für eine nachhaltige und ressourcenorientierte Bildungspolitik gewährleisten zu können, müssen Bildungsinstitutionen und Institutionen der Zivilgesellschaft einen Anti Bias Ansatz als Grundlagenkonzept sehen und in der Schule fest verankern.

Veränderungsmanagement bedarf Zeit und der richtigen Planung. Der erste Schritt ist dabei, sich der Strukturen und Zusammenhänge der Bildungsinstitution bewusst zu werden. Die Interkulturelle Öffnung kann nur angestoßen werden, wenn sie in Schulentwicklungsprozesse eingeflochten wird.

Erfahrungen zeigen, dass die Autonomie der Schulen im Bereich ihrer Schulentwicklung dazu führt, dass sich Schulen im Vergleich unterscheiden. Dadurch werden für nachhaltige Projekte unterschiedliche Strategien benötigt. Wichtig ist hierfür, eine individuelle Anamnese der beteiligten Schulen aufzustellen, um Vereinbarungen gezielt zu treffen. Für einen Schulentwicklungsprozess in der Schule ist es wichtig, die Ressourcen der jeweiligen Schulen zu nutzen und darauf ggf. aufzubauen.

Wer hat schon einmal ein interkulturelles Projekt gemacht? Wer interessiert sich dafür? Gibt es Kolleg*innen, die eine besondere Aus- oder Fortbildung gemacht haben? Feste Ansprechpartner*innen und Verträge mit Zivilgesellschaftlichen Akteuren (MSO, NGO, Museen u.v.m.) schaffen eine Vernetzung von vielen Kompetenzen und Ressourcen, eine Arbeitsteilung und führen zu einer transparenten Struktur. Zu guter Letzt ist für Schulentwicklungsprozesse wichtig, dass Projekte evaluiert, verifiziert und Ergebnisse sichtbar gemacht werden (Öffentlichkeitsarbeit).

Wie sieht eine Schule, die Interkulturell geöffnet ist aus? Diese Frage beantwortete Yasemin Karakaşoğlu in einem Interview vom 26. April 2013 wie folgt:

„Auf allen Ebenen von Schule spiegelt sich die Vielfalt der Gesellschaft wider - in den Unterrichtsinhalten, in der Unterrichtsorganisation, in der Ausbildung von Lehrern und Lehrerinnen und auch in der Zusammensetzung des Personals. Alle finden sich in der Schule mit ihren biographischen Bezügen, mit ihren Ressourcen und Zukunftsvorstellungen wieder.“

Ibrahim Gülnar: Diversity an Schulen

In einer pluralen, heterogenen Gesellschaft leben Menschen zusammen, die sich durch verschiedene Merkmale und Identitätsentwürfe auszeichnen. Gerade an Schulen wird diese Realität sichtbar: Hier kommen Menschen verschiedenen Alters, sozialer Milieus und Bildungshintergründe, verschiedener ethnischer und religiöser Zugehörigkeit mit verschiedenen physischen Fähigkeiten und sexuellen Orientierungen zusammen.

Doch welche Kriterien sollten an einer Schule berücksichtigt werden, um zum einen Diversität erfolgreich zu gestalten und zum anderen Diskriminierungen vorzubeugen? Mit den Modellprojekten Vielfalt gestaltet Schule und NÜRTIKULTI – Vielfalt gestaltet Grundschule konnte das Mobile Beratungsteam „Ostkreuz“ der Stiftung SPI in den vergangenen Jahren weitreichende Erfahrungen sammeln, wie eine inklusionsorientierte Diversity Education im praktischen Schulalltag und in Jugend- und Bildungseinrichtungen im Allgemeinen nachhaltig umgesetzt werden kann.

In einer Bildungsinstitution stellt sich die Frage, wie ein inkludierender Lernort für alle geschaffen werden kann, der chancengerecht einen Umgang mit Diversitäten im Schulalltag möglich macht. Im Blickfeld waren dabei einerseits die strukturelle Ebene (Organisationsentwicklung) als auch die individuelle Ebene (Haltung und Reflexion der Pädagog*innen) sowie die pädagogisch „kulturelle“ Ebene (pädagogische Praxen, Selbstverständnis, Leitbild). Ziel war die Etablierung einer wertschätzenden Anerkennung von Vielfalt und Verschiedenheit, die Herstellung von Chancengerechtigkeit sowie eine weitreichende Sensibilisierung für Ausgrenzungsmechanismen.

Leontine Meijer-van Mensch: Vielstimmigkeit in den Museen

Der Schrei nach einer aktiven Rolle der Museen in der Gesellschaft ist seit den 1970er Jahren immer lauter geworden. Seit der Jahrtausendwende hat sich in der Museumswelt auch die Idee der sozialen Verantwortung stark verbreitet. Dementsprechend werden die drei Aspekte der gesellschaftlichen Einbindung – Zugang, Repräsentanz und Partizipation – zunehmend als Schlüssel für eine nachhaltige Arbeit im Museumsbereich verstanden.

Die Grundannahme der zeitgenössischen Museologie ist, dass Museumssammlungen als Medium betrachtet werden sollten, um bestimmte Ziele zu erreichen. Mit dieser Sichtweise ist die Annahme verbunden, dass die besondere Bedeutung von Museen als kulturelle Institutionen selbst in ihrer Nutzung als Mittel liegt, nicht als Selbstzweck. Ein schönes Beispiel für ein zeitgenössisches Mission Statement, das eher den Zweck denn die Mittel betont, ist das des Tyne & Wear Archivs & Museums (Newcastle, UK): „Unsere Absicht ist es, Menschen zu helfen, ihren Platz in der Welt zu finden und ihre eigene Identität herauszubilden, um so ihren Respekt vor sich selbst und vor anderen zu stärken.“

Gerade im städtischen Kontext – der maßgeblich durch die Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Menschen geprägt wird – ist es wichtig, diese Hybridität auch in den Museen sichtbar zu machen, z.B. indem möglichst viele Personen das Museum mitgestalten und mitbestimmen, was dort gezeigt wird. Meiner Meinung nach müssen Museen sich derart verändern, dass sie nicht mehr „über etwas“ sind, sondern „für jemanden“ sind.

Kontakt

Dr. Diana Dressel
Leiterin der Bildungsabteilung
T +49 (0)30 259 93 515
d.dressel@jmberlin.de

Tagungsdokumentation: Schule und Museum in der Migrations­gesellschaft (19)

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