Namen verraten die Hoffnungen, Vorstellungen, Projektionen von Vätern und Müttern, folgen Trends und deuten auf die Herkunft ihrer Träger hin.
Für Juden sind mit der Namensgebung eines Kindes viele Entscheidungen verbunden: Soll der Name die Zugehörigkeit unterstreichen, nur für andere Juden kenntlich sein, oder gerade nicht? Ist er geläufig in der Sprache des Landes, aus dem eine Familie kam oder in das ein Kind geboren wird? Welche Übersetzungen hat er erlebt? An wen soll er erinnern? Kolleginnen und Kollegen sowie Freundinnen und Freunde des Jüdischen Museums Berlin teilen in diesem Blog ihre Gedanken zu diesen und anderen Fragen mit.
Naomi
Mein Name bedeutet »angenehm« auf Hebräisch, und angenehm war er in Nordamerika Mitte der 70er Jahre tatsächlich: angenehm normal. Naomi war weder einer der Modenamen wie Jennifer, Amy, Melissa und Heather, noch war er so außergewöhnlich wie die Namen anderer Flower-Power-Kinder dieser Zeit wie Blossom, Charisma, Summer oder Echo.
Mit seinem Bezug zur alttestamentarischen Geschichte von Rut und Noomi ist mein Name beliebt unter jüdischen Eltern. Zu meinen Namensvetterinnen gehören beispielsweise die jüdischen Sozialkritikerinnen Naomi Klein (1970) und Naomi Wolf (1962). Es gibt aber auch nicht-jüdische Naomis wie die Schauspielerinnen Naomi Watts (1968) und Naomie Harris (1976). Wie ich sind viele Naomis ebenfalls Sommerbabys, da die Geschichte von Rut und Noomi zu Schawuot, einem Feiertag im Sommer, gelesen wird, und es jüdischem Brauch entspricht, Kinder nach den Figuren der biblischen Geschichten zu benennen, die zum Zeitpunkt der Geburt gelesen werden.
In den 1980er Jahren zogen meine Familie und ich nach Berlin. Anders als in Toronto war mein Name dort, in dieser insularen Enklave vor der Wende, praktisch unbekannt. Noch dazu klang er mit seiner ungewöhnlichen Kombination von Vokalen ganz anders als geläufige Namen wie Nicole, Stephanie, Kathrin und Claudia. Einmal fragte mich ein Junge, dem die Aussprache meines Namens schwer fiel, ob ich nach den Maoam-Bonbons benannt worden sei.
Das Ansehen meines Namens änderte sich 1988 schlagartig. In jenem Jahr wurde ein achtzehnjähriges Model afrikanisch-jamaikanisch-chinesischen Ursprungs namens Naomi Campbell auch in Deutschland über Zeitschriftenartikel, Modewerbung und Interviews bekannt. Plötzlich, von einem Tag auf den anderen, stand mein Name für die Gauguin‘sche Exotik, die sie verkörperte.
Zuerst machte mir Naomi Campbell das Leben leichter. Ich habe meinen Namen seitdem nie wieder buchstabieren müssen. Doch schon bald ergaben sich dank des Topmodels neue Komplikationen: Allein durch den Klang und die Schreibweise meines Namens erweckte ich das Interesse von Leuten mit Hang zur Xenophilie, die jedoch beim Anblick meiner blassen Haut deutlich enttäuscht wirkten.
Naomi Lubrich, Medien
Interessant zu lesen, macht neugierig auf die Rezeption des Nachnamens ;) Ich fand meinen in anderen Ländern extrem normalen Vornamen immer blöd, weil er so auffällig war und weil er mir später dann in bemerkenswerten Kontexten begegnete: Rosa hießen in der Literatur, die wir in Deutsch gelesen haben (Schiller und Ähnliche) immer die Dienstmädchen oder die zwielichtigen Gestalten, die mehr oder weniger offen Huren waren. Andererseits hatte ich eine Lehrerin, die mich oft als Rosi drannahm, weil das so in ihrem Kopf zementiert weil in Bayern normal sei. Rosa Luxemburg, die ein, zwei Jahre später im Unterricht auftauchte, beruhigte mich dann etwas. Lustigerweise wurde ich immer wieder mal gefragt, ob meine Eltern mich nach ihr benannt hätten – denen bestimmt nichts ferner lag… Was gibt es denn zu „Rosa“ und jüdischen Bezügen zu sagen?