Veröffentlicht von am 12. September 2012

Das Vexierbild

Mich beeindrucken die collagenhaften Werke von R.B.Kitaj, die aus einer Überlagerung von zahlreichen Informationen und künstlerischen Zitaten bestehen.

Gespaltener Schreibtisch mit Zubehör

R.B. Kitaj, Desk Murder 1970–1984 © R.B. Kitaj Estate, Birmingham Museum and Art Gallery

Mit ihren kräftigen Farben strahlen sie zunächst eine Leichtigkeit und Schönheit aus.

Die tatsächlichen Geschichten hinter den Motiven werden erst durch die Texte deutlich, die Kitaj zu seinen Bildern verfasst hat. Diese zusätzliche Ebene macht aus den Collagen überfrachtete Projektionsflächen für persönliche, historische, politische, kulturelle und religiöse Themen und Ereignisse. Auf einmal lassen sich Text und Bild nicht mehr von einander trennen. Eine vermeintlich schöne, farbenfrohe Arbeit wird zum Vexierbild.

Desk-Murder ist in dem Kontext ein besonders anschauliches Beispiel. Auf den ersten Blick eine ästhetisch gestaltete Komposition, ist das eigentliche Thema des Bildes der Hass. Kitaj hat es erst nach 14 Jahren vollendet und in der Zeit stets neu interpretiert und betitelt, intuitiv Teile übermalt und hinzugefügt – bis die Realität die Fiktion einholte: Als der Künstler über den Tod des ehemaligen SS-Offiziers Walter Rauff und dessen Biografie las, erkannte er das Motiv des Schreibtischtäters, der mobile Vergasungsanlagen entwarf, in seinem Bild wieder und gab dem Werk den finalen Titel: »Desk-Murder«.

Barbara Holzer, Architektin und Ausstellungsgestalterin

 

Mehr zu R.B. Kitaj finden Sie unter: www.jmberlin.de/kitaj