Über den kreativen Umgang mit Zuschreibungen
In der Akademie des Jüdischen Museums stellen Urmila Goel und Nisa Punnamparambil-Wolf morgen das von ihnen herausgegebene Buch InderKinder – Über das Aufwachsen und Leben in Deutschland (Drapaudi Verlag) vor. Es ist die dritte Veranstaltung der Reihe »Neue deutsche Geschichten«, in der wir anhand von Biografien die Geschichte und Gegenwart Deutschlands als Migrationsgesellschaft beleuchten. In der Lesung und Diskussion kommen dieses Mal die Kinder von Migrantinnen und Migranten aus Indien zu Wort, die erst seit der Green-Card-Kampagne im Jahr 2000 auch öffentlich wahrgenommen werden.
Wir haben den beiden Herausgeberinnen Urmila Goel und Nisa Punnamparambil-Wolf vorab drei Fragen gestellt:
Wie kam es zu dem Buchtitel?
Mit dem Buchtitel nehmen wir Bezug auf die ausgrenzende »Kinder statt Inder«-Kampagne aus dem Jahr 2000. Das Wortspiel »InderKinder« geht ironisch damit um, dieser kreative Umgang mit Zuschreibungen war uns wichtig. Mit dem Buch wollen wir zeigen, wie vielfältig Menschen, die in Deutschland aufgewachsen sind und leben, mit der Zuschreibung umgehen, Kind von indischen Migrantinnen und Migranten zu sein.
Das Buch besteht aus zwei Teilen – autobiografischen Erzählungen und Essays. Was für ein Konzept verfolgen Sie damit?
Die Beiträge im Buch sind von Menschen verfasst, die als Inderinnen und Inder der zweiten Generation beschrieben werden können. Sie enthalten autobiografische Betrachtungen, gehen aber über das autobiografische Erzählen hinaus. Die Essays im zweiten Teil nehmen eine wissenschaftliche Perspektive ein, indem sie reflektieren, was diese autobiografischen Erfahrungen und Erzählungen uns über unsere Gesellschaft sagen können. InderKinder ist aber kein wissenschaftliches Buch. Es ist ein Buch für alle, die sich für Migrationsgeschichten interessieren.
Inderinnen und Inder sind eine in der Öffentlichkeit vergleichsweise wenig beachtete Einwanderergruppe – ist das eher ein Vor- oder ein Nachteil, wenn man nicht so im Fokus der Migrationsdebatten steht?
Die »Kinder statt Inder«-Kampagne und die Diskussionen über »Computer-Inder« haben gezeigt, was es bedeutet, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Das war durchaus zwiespältig. Zum einen wurden Menschen, die familiär mit Indien verbunden sind, endlich wahrgenommen, konnten ihre Geschichten erzählen usw. Zum anderen gab es auch mehr Anfeindungen und Festschreibungen. Entscheidend ist aber weniger die Aufmerksamkeit als das Bild der Modellminderheit. Inderinnen und Inder werden meist als gebildet und gut integriert beschrieben. Diese Zuschreibung kann genutzt werden, um andere Einwanderergruppen noch mehr abzuwerten. Darüber diskutieren wir im Buch auch.
Morgen Abend werden wir uns diesen und weiteren Fragen widmen: Die Lesung aus InderKinder – Über das Aufwachsen und Leben in Deutschland findet um 19:30 Uhr im Saal der Akademie des Jüdischen Museums statt (Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro, Karten bitte reservieren unter Tel. +49 (0)30 259 93 488 oder reservierung@jmberlin.de).
Julia Jürgens, Akademieprogramme Migration und Diversität