Vielleicht hätte ich fasten sollen. Stattdessen rieb ich mir meine verletzten Knie und Handgelenke und hob mein verbogenes Fahrrad von der Straße auf.
An Jom Kippur, dem »Tag der Versöhnung«, soll man über seine Vergehen des letzten Jahres nachdenken, sich bei Freunden und Angehörigen entschuldigen, beten und fasten. Und weil Jom Kippur der heiligste Tag des jüdischen Kalenders ist, wird er in Israel von den meisten, auch von Atheisten, respektiert: Busse, Züge und Flugzeuge stehen still, Geschäfte bleiben geschlossen, selbst Autofahren ist tabu. So kommt es, dass an Jom Kippur die Straßen und Autobahnen leer sind. Und weil auch im Fernsehen und Radio nichts läuft, ist dieser Tag für diejenigen, die das Büßen nicht besonders ernst nehmen, ideal zum Fahrradfahren.
Denn Fahrradwege gibt es in Israel kaum, und die Jerusalemer Autofahrer sind nicht gerade für ihre Geduld bekannt. Unbeabsichtigt hat sich in Israel Jom Kippur inzwischen quasi zum Fest des Fahrradfahrens entwickelt, das ich gerne mitfeierte. Auf den hügeligen Straßen kreiste ich bergauf, bergab, in Achtern und Kurven – und rutschte dann doch schmerzvoll aus.
Nächstes Jahr bleib ich an Jom Kippur zu Hause.
Avner Ofrath, Medien