Ein Besuch bei Schwester Katharina im Karmel Berlin
Den Kopf zu bedecken ist fast gänzlich aus der christlichen Praxis verschwunden. In Deutschland sieht man dies eigentlich nur noch bei Ordensschwestern. Bei den Vorbereitungen für die Ausstellung Cherchez la femme (mehr dazu auf unserer Website) waren wir uns früh einig: Wir wünschen uns einen Nonnenschleier.
Ich machte mich also auf den Weg ins nördliche Charlottenburg zum Karmel Regina Martyrum, ein Konvent der sogenannten »Unbeschuhten Karmelitinnen«. Dort begrüßt mich Schwester Katharina, die im Orden für die Kleidung zuständig ist. Nach eigener Aussage hat sie selbst einen eher nüchternen Zugang zu der Thematik, andere würden einzelnen Kleidungsstücken dagegen eine besondere spirituelle Bedeutung beimessen. Das sei eine sehr persönliche Sache und in einer Gemeinschaft könne man ganz unterschiedlichen Haltungen und Praktiken begegnen.
Das Gespräch über die Bedeutung der Ordenstracht beginnt Schwester Katharina mit einer Anekdote: Vor einiger Zeit sei sie auf der Straße mit einer jungen Muslimin ins Gespräch gekommen, die meinte: »Den Glauben kann man von außen nicht sehen.« Das habe ihr gut gefallen, denn für sie gehe es darum, die Grundsätze für sich und die Gemeinschaft ehrlich zu leben. Alles andere seien letztlich Äußerlichkeiten.
Die Bekleidungsvorschriften stammen aus der Ordensregel der Karmelitinnen, die von der Heiligen Teresa von Ávila im Spanien des 16. Jahrhunderts verfasst wurden. Ein Schleier wird darin nicht erwähnt, denn Frauen gingen damals ohnehin nicht barhäuptig auf die Straße. Beschrieben sind ein braunes Wollkleid und ein »Skapulier«, eine Art lange Schürze über dem Kleid. Die Farbe braun geht auf die Wolle der spanischen Schafe zurück. Damit nicht zu viel Stoff verwendet wird, dürfen die Ärmel nicht zu ausladend sein. Außerdem ist die Rede von einfachen Hanfsandalen, daher der Name »unbeschuht«.
Diese Vorschriften sind eng verwoben mit den reformerischen Gedanken Teresa von Ávilas. Sie wollte das Ordensleben vereinfachen und sich den weltlichen Gütern entsagen, was sich in den Geboten, Stoff zu sparen und ungefärbte Wolle zu verwenden, ausdrückt. Heute verwendet Schwester Katharina keine reine Wolle mehr, sondern eine Wollsynthetikmischung, die deutlich günstiger und pflegeleichter ist. Die Hanfsandalen sind Ledersandalen gewichen, mit Sohlen, die dem städtischen Beton standhalten.
Bei allem Pragmatismus, die Tracht ist mehr als eine bloße Erinnerung an die Heilige Teresa. Als Schwester verpflichte man sich neben der Ehelosigkeit auch der Armut und dem Gehorsam. Armut bedeutet für Schwester Katharina, ein einfaches, konsumreduziertes Leben zu führen. Das Ordensleben mache auch Klassenunterschiede hinfällig, die durch individuelle Kleidung wahrscheinlich sichtbar würden. Das Gebot des Gehorsams bedeute im Alltag, sich in die Gemeinschaft einzufügen – ein Prinzip, das durch gleiche Kleidung verstärkt wird. Und dann ist da noch eine weitere Funktion: Die Ordenskleidung mache einen sichtbar und helfe Mitmenschen, über den Glauben, persönliche Schwierigkeiten oder Lebensfragen zu sprechen. Diese Sichtbarkeit sei nicht missionarisch zu verstehen, sondern als ein absichtsloses Angebot zum Gespräch, zum Austausch und zur Seelsorge. Der Schleier sei letztlich ein Zeichen der Zugehörigkeit zu Gott.
Wir sind noch ganz ins Gespräch vertieft, als die Gebetsglocken läuten. Schwester Katharina lädt mich ein, sie zu begleiten. So etwas habe ich seit dem katholischen Gymnasium nicht mehr gemacht, doch ich lasse mich darauf ein. Nach einem kurzen Moment der Stille und Konzentration widme ich mich voll freudigem Tatendrang wieder dem Alltag.
Katharina Erbe denkt gerne an diese unverhoffte und schöne Begegnung zurück.